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Was Unternehmer wirklich, wirklich wollen: Über New Work im Mittelstand.
18.06.2020
Timo Kaapke

Viele Unternehmer im Mittelstand denken, New Work hätte nichts mit ihnen zu tun. Einer sagte mir neulich im Gespräch: „New Work? Quatsch, das brauch ich nicht, das kostet nur Geld. Das ist was für hippe Start-Ups oder große Konzerne und nicht für uns. Meine Mitarbeiter sollen doch froh sein, dass wir schon so viele Services für sie haben, aber irgendwo hört es auch mal auf. Wir sind doch dafür da, unsere Kunden glücklich zu machen, und nicht die Mitarbeiter.“

Blickwechsel auf den Unternehmer

Als ich gestern die Hecke in meinem Garten schnitt und im Kopfhörer Black Dog von Led Zeppelin hörte, musste ich nochmal an das Gespräch denken: Echt schade, dass ihn New Work nicht so anspricht. Dabei wäre es aber gar nicht mein Ding, ihm jetzt die typischen New Work-Themen für sein Unternehmen und seine Mitarbeiter zu empfehlen, mit denen so viele um ihre Wettbewerbsfähigkeit im Arbeitsmarkt kämpfen: Was kannst du für deine Mitarbeiter tun, welche Möglichkeiten kannst du ihnen bieten, damit sie ihr Privatleben mit den Anforderungen der Firma und ihres Jobs in Einklang bringen können. Themen wie Arbeitszeiten, familiengerechtes Unternehmen, die persönliche Entwicklung von Mitarbeitern. Oder die Mitarbeiterbespaßungsprogramme, um sie irgendwie bei Laune zu halten, etwa mit Tischkicker oder Obstschale.

Ich habe da gar nichts gegen, das ist alles gut, und ich könnte Ihnen auch erzählen, wie ich das in meinem Unternehmen sehe und mache. Aber zum einen wird mir das viel zu schnell eine Fachdiskussion, die andere besser führen können, denn für New Work in Unternehmen bin ich gar nicht der Top-Experte. Und es gibt genug Leute, die auch genug Bücher zu dem Thema geschrieben haben.

Und zum anderen wird das Thema nach meiner Wahrnehmung auch generell zu sehr immer nur durch dieselbe Brille gesehen, mit dem Blick auf: „New Work ist gut für die Mitarbeiter“. Das will ich gar nicht abstreiten. Mir geht es eher darum, uns allen zur Abwechslung mal einen Blickwechsel zu empfehlen. Denn vielleicht sehen wir Unternehmer – besonders im Mittelstand – das Thema einfach immer nur zu weit weg von uns selbst.

Ich finde es total spannend, New Work mal als Impuls zu nutzen für die Frage: Was bedeutet das eigentlich für Unternehmer, für’s Unternehmer sein, für uns mittelständische Unternehmer? Wie wäre es, wenn wir diese Idee mal für uns selber beanspruchen?

Die Gretchenfrage an Unternehmer

Ich gehe dabei von der berühmten grundlegenden Frage aus, die Fritjof Bergmann, der „Erfinder“ von New Work, an alle arbeitenden Menschen gestellt hat: „Was willst du wirklich, wirklich tun?“

Ich habe sie abgewandelt als meine Gretchenfrage an die Unternehmer auch schon auf meine neue Webseite gestellt: „Was wollen Sie wirklich?“ Und genau diese Frage verwende ich auch in meinem Sparring gegenüber meinen Klienten, immer gleich zum Einstieg. Manche sprechen dann spontan davon, dass sie 10 Millionen mehr Umsatz machen oder noch eine Halle bauen wollen. So toll ich das auch finde, in dem Kontext interessiert es mich gar nicht so sehr, weil ich kein Unternehmensberater, sondern ein Unternehmer-Coach bin.

Ich frage also weiter, und dann erzählen die meisten, dass sie mehr Freiraum haben wollen und raus aus dem operativen Hamsterrad möchten. Oder dass sie dabei sind, mehr Verantwortung abzugeben. Auch das finde ich super und schon mal ganz wichtig, aber ich bohre noch weiter. Wir überlegen dann, was die Frage denn für die anderen Kontexte außerhalb des Unternehmens bedeuten könnte: für die Familie, die Freunde – und vor allem für die Klienten selbst.

Das ist immer ein Moment, in dem es kurz ganz still wird im Raum. Die Klienten verstehen plötzlich die Frage in ihrer vollen Tragweite, dass es tatsächlich darum geht, was sie „wirklich, wirklich“ wollen. Und erst dann fangen sie alle an, darüber richtig nachzudenken.

Ein Höchstmaß an Spirit

Dieses Nachdenken finde ich für Unternehmer mindestens genau so wichtig wie für Mitarbeiter, wenn nicht sogar noch wichtiger. Wer sich als Unternehmer im Mittelstand diese Frage stellt, schafft mit der Antwort in seinem Unternehmen ein Höchstmaß an Authentizität, an Spirit – der aber dann nicht von wohlmeinenden Unternehmensberatern aufgepropft worden ist, sondern der wirklich mit ihm als Unternehmer zu tun hat. Das inspiriert Mitarbeiter. Und es zieht auch Mitarbeiter an, die sich mit dem Unternehmer und dem Unternehmen identifizieren können und wollen.

Wenn Sie als Unternehmer die Bergmannsche New Work-Frage „Was willst Du wirklich, wirklich tun?“ nicht für sich zu beantworten versuchen, dann verpassen Sie nicht nur etwas, sondern Sie verhalten sich sogar grob fahrlässig. Ihrem Unternehmen gegenüber, das einen Unternehmer mit Herzblut braucht. Und nicht zuletzt Ihnen selbst gegenüber. Diese Antwort sind Sie sich schuldig.

Und was New Work darüber hinaus betrifft: wenn Sie diese Frage als Mittelständler für sich nicht geklärt haben, dann können Sie sich alle anderen New Work-Ansätze in Ihrem Unternehmen auch gleich sparen. Wenn Sie nicht wissen, was Sie wirklich, wirklich wollen – wie sollen es dann Ihr Unternehmen und Ihre Mitarbeiter rauskriegen?

Frohes schaffen
und keep on burning!

Timo Kaapke

Foto von Timo Kaapke

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