Wir sind Unternehmer, und das ist auch gut so: Von schlechtem Image und Selbst-Bewusstsein.
Das Image von uns Unternehmern ist in diesem Land nicht gut. Wir fahren schicke Autos, haben teure Hobbys, sind fünfmal […]
17 05 2023 zum BeitragUnternehmer werden? Dafür muss ich ein Unternehmen gründen. So könnte jemand meinen, der von unserem Job als Unternehmer nicht viel weiß. Aber so einfach ist das nicht. Ich beobachte, dass viele Mittelständler, die ein Unternehmen haben, gar keine richtigen Unternehmer sind. Weil sie in ihrem Unternehmen nicht oder nur zu einem geringen Teil als Unternehmer arbeiten.
Da ich der festen Überzeugung bin, dass unser Land dringend den Unternehmer im Mittelständler braucht, beunruhigt mich das. Nun zwingt Corona uns Unternehmer aber alle, dass wir spätestens jetzt unseren wahren Job machen! Dass alle, die Unternehmen haben, noch bewusster in ihrer Unternehmerrolle aktiv werden.
Wie komme ich darauf, dass Unternehmer nicht als Unternehmer arbeiten? Als „Sparringspartner“ lasse ich mir immer erzählen, wie der Unternehmer-Alltag aussieht: womit sie sich den ganzen Tag beschäftigen, was ihre Aufgaben sind, in welche Bereiche sie wie involviert sind, was sie von ihrem Abteilungsleiter oder ihrem Controller unterscheidet.
Aus den Antworten filtern wir gemeinsam heraus, welche Rollen diese Unternehmer ausfüllen. Meist stehen zwei im Vordergrund: Die Fachkraft-Rolle, also die des obersten Experten im Unternehmen, und die Manager-Rolle, die des „Betriebsleiters“. Die Unternehmer-Rolle dagegen, die des strategischen Kopfes der Firma, wird von vielen Unternehmern im Mittelstand vernachlässigt. Der Reflex, ins operative Hamsterrad einzusteigen, ist bei ihnen zu stark. Sie kommen zu wenig dazu, ihren wahren Job zu machen. Und haben große Schwierigkeiten mit dem Unternehmer werden.
Bei manchen Unternehmern geschieht das unbewusst, der Reflex ist ihnen gar nicht klar. Andere aber kennen das Problem und schaffen es trotzdem nicht, in die Unternehmerrolle stärker hineinzugehen. Einen, dem es so geht, habe ich vor einigen Monaten mal kennengelernt. Er hat mir mit etwas müdem Blick erzählt, dass er in seinem 80-Stunden-Job nach seiner Einschätzung auf nur 1% an Zeit für die Unternehmerrolle kommt. Er versuchte das seit längerem zu ändern, aber er schaffe es nicht.
In diesen Tagen muss ich öfter an ihn denken. Denn ich glaube, dass Corona ihn jetzt mit Wucht in die Unternehmer-Rolle zwingt. Und zwar aus purer Notwendigkeit – und das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die entsteht immer erst dann, wenn wir eine Not wenden müssen.
Wenn wir in besseren Zeiten keine Not spüren, haben wir auch nicht das Gefühl, Not wenden zu müssen. Obwohl es die Not in Form von VUCA (Sie wissen schon: volatility, uncertainty, complexity und ambiguity…) eigentlich längst schon gab – aber bisher konnten es viele sich gerade noch erlauben, darüber wegzuschauen.
Das ist in der Krise anders. Jetzt gibt es in den Unternehmen tausende unübersehbare Nöte: Die Rahmenbedingungen ändern sich, die Umsätze brechen ein, das Geschäftsmodell ist zu anlaog. Die Organisation und ihre Hierarchien geraten ins Wanken, weil die für die guten Zeiten ausgelegt sind und nicht für die Mega-Komplexität, die nun auf einmal entsteht. Es herrscht jetzt VUCA hoch 10. Dadurch gibt es eine nicht mehr zu ignorierende Notwendigkeit, sich diesen Nöten zu stellen.
Und da ploppen nicht nur irgendwelche Fragen für Manager und Fachkräfte auf, sondern vor allem zutiefst unternehmerische: die der Geschäftsmodellentwicklung oder der strategischen Zukunftsvision. Und immer wieder die Kommunikationsfrage: Wie sag ich’s meinen Mitarbeitern?
Und deswegen ist es halt auch der Unternehmer im Mittelständler, der sich jetzt damit dringend beschäftigen muss. Auch der Unternehmer, an den ich jetzt öfter mal denke, der mit dem 1% Unternehmer-Rollenanteil.
An einem der vielen fußballlosen Quarantänetage der letzten Wochen war mir mal wieder danach – ich musste mal wieder On Parol von Motörhead hören:
They locked me up, put me away
Said, „You're gonna get out in forever and a day“
I didn't know what was going on
All I was doing was looking for fun.
Kein Wunder, welches Bild mir da für die Radikalität der Situation in den Unternehmen einfiel. Das ganze, dachte ich, ist irgendwie so, als wenn eine Firma immer Fußball gespielt hat. Und jetzt kommt da einer von außen, der heisst Corona, der halbiert das Spielfeld, malt mit Kreide ein paar Linien drauf, baut in die Mitte ein Netz rein, nimmt die Tore und den Ball weg und gibt den Spielern zwei Tennisschläger und Tennisbälle und sagt dann: „Nun spielt mal weiter schön Ballsport!“
Nun sind die Leute in der Firma aber nun mal Profis für Fußball. Die wissen genau, wie man das spielt. Darauf sind die voll fokussiert und darin sind sie spitze. Und jetzt?
Das ist die Situation, die uns Mittelständler gerade mit Macht dazu zwingt, jetzt endlich unseren wahren Job zu machen. Spätestens jetzt müssen wir Unternehmer werden.
Da ist es wieder, mein Überzeugungs-Mantra: Mehr denn je braucht unser Land den Unternehmer im Mittelständler. Sie könnten jetzt denken, das hätte ich mir erst wegen Corona ausgedacht. Aber ich hatte die Überzeugung schon vorher, der Virus hat es mir nur noch einmal viel deutlicher gemacht.
Auch wenn sich viele Unternehmer bisher im Alltagsgeschäft verheddern und sich zu sehr als Manager oder oberste Fachkraft verkämpfen und zu wenig als Unternehmer sichtbar und wirksam werden: Für die allermeisten von ihnen ist die Langeweile eines risiko- und ereignislosen Weges eine Tortur. Wenn der Unternehmerweg nur einfach wäre, würden sie ihn gar nicht gehen wollen. High risk, high fun!
Wer, wenn nicht diese abenteuerlustigen Mittelständler sollen die sein, die jetzt von Fußball auf anderen Ballsport umschalten können? Ich bin überzeugt, dass sie das können: wenn sie die gegenwärtige Krise auch als Chance nehmen und bewusster wirklich in ihre Rolle als Unternehmer einsteigen. Im Moment beobachte ich, dass viele Mittelständler genau das tun. Ich bin gespannt, welche Ideen und Innovationen daraus entstehen werden.
Hallo Timo, schöner Text... mir gefällt was du so schreibst, das wird sicher vielen helfen... Wie wäre es Mal mit einem Artikel zum Thema "Auf der Naht genäht - vielleicht sollten wir wieder mehr auf Qualität setzen..." Viele Krisen entstehen nicht durch Krisen! Sie werden vielmehr erst dann sichtbar... Herzliche Grüße Martin (Henke)
Hallo Martin! Vielen Dank für deinen Kommentar und das Feedback. Deine Themenidee „Auf der Naht genäht“ finde ich sehr interessant und nachvollziehbar. Das ist Unternehmern mal mehr, mal weniger bewusst. Und, ja: Vieles, was durch die offensichtliche Krise sichtbar wird hat seinen Ursprung oft schon lange davor. Welche Erfahrungen hast du dahingehend machen können? Wo beobachtest du „so etwas“? Magst du davon was teilen? Frohes schaffen! Timo