Das lässt sich, dachte ich später unter der Dusche, auch auf uns Unternehmer übertragen: Die Entscheidung, was wir sehen, liegt in uns, in unserem Auge, in der Richtung, auf die wir das Auge lenken. Betriebsblindheit ist demnach nur eine Frage der Perspektive, aus der wir auf den Betrieb schauen.
In Wahrheit gibt es aber ja nicht nur den einen „Betrieb“, sondern in einem Unternehmen wird an ganz unterschiedlichen Produkten gearbeitet, es gibt dort also auch parallel verschiedene Betriebe, in denen Menschen in unterschiedlichen Rollen arbeiten.
So erhält die alte Frage „Woran arbeitest du gerade“ einen neuen Sinn: Viele Mitarbeiter arbeiten in der Fachkraft-Rolle am Produkt, das das Unternehmen auf dem Markt anbietet. Andere arbeiten in der Manager-Rolle am Produkt Arbeitsplatz für die Mitarbeiter. Und der Unternehmer? Dessen Job ist es, in der Unternehmer-Rolle am Produkt Unternehmen zu arbeiten. Nicht am Produkt des Unternehmens, sondern am Unternehmen selbst, also zum Beispiel an seiner strategischen Ausrichtung.
Insofern steckt hinter der sogenannten Betriebsblindheit eigentlich eine Produktblindheit. Wenn ein Unternehmer sich betriebsblind fühlt, dann hat er einfach nicht das Produkt im Fokus, an dem er vorrangig arbeiten sollte.
Das ist übrigens auch der Grund, warum ich mir ab und zu Auszeiten von meinem Unternehmen nehme. Der Blickwechsel dabei hilft mir, aus der Ferne auf meinen Laden zu schauen. Ich sehe dann vieles durch einen neuen Blickwinkel und erkenne Dinge, die für mich drinnen unsichtbar bleiben.
Manchmal waren es schon Reisen nach Mallorca oder nach Kalifornien, zur Zeit geht das nicht, und da tut es auch ein Tennismatch oder für eine Stunde raus in den Wald zum Laufen. Oder auch nur in mein Studio in Cloppenburg zu gehen, wo ich ungestört bin. Es geht immer um das Gleiche: Von außen mein Produkt, das Unternehmen, zu betrachten und an ihm zu arbeiten.