05 06 2020

Unternehmer sind auch nur Menschen: Von Durchblickern und Blickwechslern.

Wenn ich jetzt in Corona-Zeiten als Unternehmer mit anderen Mittelständlern spreche, muss ich öfter auch mal über meine Rolle dabei nachdenken: Vielleicht gibt es mir gegenüber ja eine Erwartungshaltung? Etwa so in der Art von: Der Kaapke sparrt andere Unternehmer, macht Mittelständlern ihre Unternehmerrolle bewusster – dann kann er ja jetzt mal zeigen, wie’s geht und wie er’s selbst macht. Der muss doch wohl den Durchblick und ein Rezept haben, wie Unternehmen gut durch die Corona-Krise kommen können?

Aber, ganz ehrlich: Bei mir läuft gerade alles auch nicht so super, und ich hab‘ kein Erfolgsrezept. Das kann jeder Unternehmer nur für sich selbst finden. Das einzige, was ich tun kann und will: Mit Ihnen meine Sicht teilen und einen Blickwechsel ermöglichen.

Unternehmer im Frust

Auch so ein Blogger wie ich hat mal schlechte Tage. Neulich war so einer. Der x-te Tag Quarantäne, in der Nacht unruhig geschlafen, draußen ein Mistwetter, in der Wirtschaftswelt immer schlechtere Nachrichten, auf meinem Schreibtisch zwanzig oder noch mehr Aufgaben, die alle wegen oder trotz Corona schnell bearbeitet und entschieden werden mussten. Baustellen ohne Ende. Die hätte ich ohne Corona wahrscheinlich auch gehabt, aber nun lag noch mehr Druck darauf als sonst.

Und schlecht drauf, wie ich nun mal war, fragte ich mich: Wie komme ich eigentlich auf die idiotische Idee, anderen in solchen Zeiten Orientierung für ihr Unternehmersein geben zu wollen? Ich komme doch selbst langsam aber sicher an meine Grenzen. Hoffentlich fragt mich nicht mal jemand, wie ich das alles in meinem Unternehmen meistere. Ich habe doch im Moment selber nicht den Durchblick.

Mein einziger Trost war REM mit Everybody hurts aus dem Lautsprecher:

When your day is long
And the night
The night is yours alone
When you're sure you've had enough
Of this life
Well hang on
Don't let yourself go
'Cause everybody cries
And everybody hurts sometimes

Genau, dachte ich, alle sind gerade angeschlagen, auch ich. Keiner ist auf diese Situation vorbereitet, und das kann auch keiner sein, denn keiner konnte das üben. Es wird jetzt ein völlig neues Spiel gespielt, dafür gibt es weder Regeln noch Erfahrungswerte, das war und ist nicht planbar.

Aber, so wurde mir bewusst, jetzt geht es ja auch gar nicht um Patentrezepte, sondern darum, den Umgang mit der Situation zu lernen. Keiner kann sagen, wie es jetzt weitergeht, auch ich nicht. Und auch nicht die Experten in den Talkshows, die haben zwar alle eine Meinung, aber ebenso wenig Durchblick wie wir alle. Manche von denen tun nur ständig so, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen …

Business-Porno

Das Verhalten kenne ich auch von so einigen Unternehmern. Im Social-Web gibt es ja auch so manch provokante Dröhner, die der Welt erklären, wie sie pro Tag zig Millionen Umsatz machen, und sich mit ihren Bentleys und Breitlinguhren inszenieren wie die großen Heroes: Wir sind die ultimativen Erfolgsmenschen und zeigen das, weil wir es können!

Das ist für mich so eine Art Business-Porno. Es gibt Leute, die darauf stehen. Okay. Aber das ist nicht meine Idee von Mittelstand.

Und gleichzeitig traue ich der Inszenierung auch nicht so ganz. Ob bei denen wirklich immer alles so am Schnürchen läuft? Die haben sich halt auf ihre Stärken positioniert und zeigen die Dinge, die gut laufen, damit die anderen nur Erfolg und Tralala sehen. Nach meiner Erfahrung sind das aber nur die zehn Prozent vom Eisberg, die über der Oberfläche liegen. Aber die restlichen neunzig Prozent mit Blut und Schweiß und Niederlagen, mit ständigem Auf und Ab, das sehen Außenstehende dann nicht. Diese Unternehmer thematisieren das nicht, weil sie damit sich selber und das heroische Bild vom starken Unternehmer infrage stellen würden. Dabei gehe ich jede Wette ein: Die sind im Moment im stillen Kämmerlein genauso ratlos und unsicher wie wir alle.

Meinung und Deinung

Ich sehe meine Rolle anders. Ich mache hier im Blog das, was ich auch als Unternehmer bei jeder Herausforderung mache: Ich beleuchte die Situation durch verschiedene Blickwinkel, und wenn Sie als meine Leser dann eine neue Perspektive einnehmen können, dann sehen Sie auch mal Dinge, die Sie vorher nicht so gesehen haben. Auch manches von den sonst unter Wasser gehaltenen neunzig Prozent.

Mir tut es gut, diese Blickwinkel zu teilen, weil es vielleicht auch andere Leute im Lande gibt, denen das gut tut. Aber ich schreibe eben auch nur meine „Meinung“ und keine „Deinung“ – ich bleibe neugierig auf Ihre Sichtweise. Denn ich bin kein Wirtschaftsguru oder so, sondern ein ganz normaler mittelständischer Unternehmer wie Sie.

Und deswegen verstehe ich mich hier nicht als Experte oder Ratgeber, sondern eher als Fragensteller: Welche Haltung möchten Sie zu Corona entwickeln? Sehen Sie den Virus als Bedrohung oder als Chance? Es klingt vielleicht abgedroschen, Krise als Chance zu sehen, aber es ist – wenn man mal von manchen Mistwettertagen absieht – meine Haltung.

Wenn Sie so gepolt sind, dass Sie die Krise als Chance sehen wollen, dann kann das eine unheimliche Motivation in Ihnen auslösen. Wir alle können die Krise nicht ändern, aber wir können unseren Umgang damit beeinflussen.

Anderer Blickwinkel – andere Ideen

An dem miesen Morgen saß ich da noch eine Zeitlang und dachte über das alles nach. Wie wollen wir uns positionieren gegenüber dieser Krise, was wollen wir daraus machen? Wenn wir einen Blickwechsel von den Risiken auf die Chancen vornehmen, dann stellen sich uns andere Fragen. Dann haben wir einen anderen Blickwinkel auf die Krise und kommen auf andere Ideen.

Ich fragte mich: Wer braucht gerade jetzt schon einen Durchblicker? (Mal ganz abgesehen davon, dass es den derzeit gar nicht geben kann.) Vielleicht ist ein Blickwechsler passender… Ist es nicht viel mehr auf Augenhöhe, wenn wir Unternehmer uns so über die Krise austauschen können?

Und ich musste an den Schluss von Everybody hurts denken:

So, hold on, hold on
Hold on, hold on
Hold on, hold on
Hold on, hold on
Everybody hurts
You are not alone

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