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Authentizität statt Gaukelei: Warum viele Mittelständler den Begriff Marke missverstehen.
02.02.2024
Timo Kaapke

Viele mittelständische Unternehmer fremdeln mit dem Begriff Marke, weil sie damit unbescheidenes Auftrumpfen, Prahlerei und Vorspiegelung falscher Tatsachen verbinden – sie halten Markenkommunikation für eine einzige große Gaukelei.

Und da die mittelständische Zurückhaltung und Bescheidenheit all das vermeiden will, was auch nur ansatzweise für Angeberei gehalten werden könnte, haben viele Unternehmer einfach keine Lust darauf.

Einer der Gründe dafür, dass es so viele Missverständnisse im Zusammenhang mit der Bedeutung und den Möglichkeiten von Marken gibt, liegt in der historischen Entwicklung des Begriffs. Um mit diesen Missverständnissen etwas aufzuräumen, will ich Ihnen heute mal ein wenig von dieser Entwicklung erzählen.

Vom Brandeisen zu Maggi

Das deutsche Wort Marke gibt es seit dem 17. Jahrhundert. Es leitete sich vom französischen marque ab, das einfach Zeichen oder Kennzeichen bedeutet, und dessen Ursprung wiederum im lateinischen marca liegt, das ebenfalls Zeichen bedeutet.

Der englische Begriff brand hingegen ist um 1850 erstmals im Zusammenhang mit dem Markieren von Kühen und Pferden aufgekommen: das branding kommt ursprünglich tatsächlich vom Brandeisen und war anfangs Eigentumszeichen und Herkunftsnachweis, zum Beispiel verwendet von den Cowboys im „Wilden Westen“.

Dann gab es um die Jahrhundertwende erstmals Marken für Waren, wie zum Beispiel die Marke Maggi. Auf einmal wurde da keine einfache Würzsauce mehr angeboten, sondern ein Produkt, das einen Namen hatte und sich damit von vergleichbaren Produkten abhob – denn Maggi stand in Konkurrenz zu dem von Justus von Liebig erfundenen Fleischextrakt. Auch andere Produkte wie Würfel für Bouillon und Erbsensuppe wurden unter dieser Marke angeboten, die eine Art von Merkmalskatalog darstellte.  

Marke als Vertriebsinstrument

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstand Marke dann als Vertriebsmethode. Zum Beispiel bei Waschmitteln: die Marke Persil (die es an sich schon seit 1907 gibt) wurde im Sinne einer Preisstrategie eingesetzt nach dem Motto: Es gibt Waschmittel, und es gibt Persil – und das ist halt ein bisschen teurer als die anderen. Es entstand das Markenprodukt im Abgrenzung zum, wie wir das heute nennen, No-Name-Produkt.

Dann trat irgendwann ein Image-orientierter Ansatz in den Vordergrund. Der Grundgedanke war hier: Wir müssen nicht nur Maggi draufschreiben oder Persil, sondern wir müssen die emotionalen Bedürfnisse der potenziellen Kunden, die ihnen selbst noch gar nicht bewusst sind, herausfinden und unsere Marke damit aufladen – nicht weil es etwas mit uns zu tun hat, sondern weil dann möglichst viele Leute uns toll finden und unser Produkt kaufen. 

Wie sollten wir sein …

Wie zum Beispiel bei Marlboro der Cowboy, der an sich nichts mit einer Zigarette zu tun hatte und nur für das Streben nach Freiheit und Abenteuer stand, oder bei Camel der Safari-Typ mit den durchgelatschen Sohlen. Wer solch ein Image selbst verkörpern wollte, konnte diese Marken rauchen. Und demonstrierte damit (sich selbst und anderen), welcher Typ er war.

Das war immer noch ein verkaufsfördernder Ansatz nach dem Motto: „Wie sollten wir sein, damit unsere Kunden uns und nicht den Wettbewerber kaufen – völlig egal, ob das was mit uns zu tun hat.“

Es war gleichgültig, ob das dem dahinterstehenden Unternehmen entsprach oder nicht – es wurde den Kunden einfach vorgegaukelt.

Während ich das so schreibe und „Free Fallin‘“ von Tom Petty aus dem Kopfhörer schallt, erinnert mich diese rein verkaufsfördernde Strategie von Marlboro auch an die Partnersuche in meiner Jugend. Manche von uns machten auf besonders sportlich, auch wenn sie eigentlich eher nichts mit Sport am Hut hatten – keine besonders nachhaltige Strategie, denn diese Gaukelei musste die oder der andere früher oder später durchschauen, so dass die Sache aufflog! 

Demonstrationsfunktion von Marken

Es ging bei dieser Strategie aber nicht nur darum, dass der Kunde etwas kauft, was ihn selbst anspricht – also sein Bedürfnis nach Freiheit und Abenteuer.

Sondern es kommt auch immer noch die Demonstrationsfunktion von Marken hinzu: Denn nicht nur der Kunde weiß, dass Marlboro für coole Cowboys und für Freiheit und Abenteuer steht, sondern er kann davon ausgehen, dass auch andere das wissen – weil die ja die Werbung genauso gesehen haben wie er.

Dann muss er den anderen gar nicht erst erklären, was ihm wichtig ist, sondern indem er Marlboro raucht, demonstriert er den anderen eine Botschaft, die sie auch sofort verstehen: Hey, das ist ein Marlboro-Typ!

Vom Outside-in zum Inside-out

Doch zur langfristigen Differenzierung von Produkten im Warenmarkt reichte es auf Dauer nicht aus, immer nur einfach die Nachfragewünsche und -bedürfnisse zu ermitteln und die Marke danach auszurichten.

Diese klassische Outside-in-Perspektive wurde deshalb zu Beginn dieses Jahrtausends – nicht zuletzt angestoßen vom Bremer Wirtschaftswissenschaftler Christoph Burmann – um eine Inside-out-Perspektive ergänzt.

Markenerfolg basiert demnach auf individuellen Stärken, im Fokus steht eine Analyse des Selbstbilds der Marke aus Sicht von internen Zielgruppen, also dem Unternehmer, dem Management und den Mitarbeitern. Im Ergebnis entsteht die Markenidentität: Sie umfasst die langfristigen Merkmale einer Marke, die aus Sicht interner Zielgruppen in nachhaltiger Weise ihren Charakter prägen.

Das war übrigens auch genau die Zeit, in der ich mein Unternehmen gegründet habe, und es ist bis heute die Denkschule hinter KAAPKE Marken im Mittelstand.

Wer sind wir …

Der identitätsorientierte Ansatz besagt einfach, dass wir unsere Marken nicht nur so gestalten und wahrnehmbar machen sollten, dass möglichst viele Menschen sie kaufen (eigentlich: drauf reinfallen), sondern dass wir auf Authentizität und Echtheit setzen sollten.

Der Anspruch lautet nun nicht mehr „Wie sollten wir sein …“, sondern: „Wer sind wir, wofür wollen wir stehen, was ist unser Purpose, unser Anspruch, unsere Mission?“ Es gilt, all diese Dinge in die Waagschale zu werfen, um authentisch mit dem zu punkten, was und wer man wirklich ist – und es eben nicht nur vorzugaukeln.  

Genau diese Gaukelei ist aber das, was viele Mittelständler heute noch mit dem Begriff Marke verbinden, und auch deswegen tun sie sich so schwer damit. Sie unterschätzen das enorme Innovationspotenzial der eigenen Unternehmens-Identität und damit die Kraft der Marke.

Unser heutiges Verständnis von Marke hat nichts mit Gaukelei zu tun. Und es geht auch kein bisschen darum, dass Sie etwas behaupten, was nicht stimmt. Es ist also an der Zeit, dass Mittelständler das enorme Innovationspotenzial der eigenen Unternehmens-Identität und damit die Kraft der Marke nicht länger unterschätzen.

Ihre mittelständische Bescheidenheit müssen Sie für die Markenentwicklung und -führung nicht verleugnen – denn Sie müssen dafür die wahre Identität Ihres Unternehmens nicht etwa erfinden – sondern es geht nur darum, sie zu finden und zu kommunizieren.

Und wie denken Sie über Markenführung im Mittelstand? Denken Sie an Protzen oder an Authentizität? Lesen Sie mehr dazu in meinem neuen Buch „Unternehmerfeuer“ und schreiben Sie mir mal darüber. Aber vor allem: Sprechen Sie andere Unternehmer darauf an und tauschen sich mit ihnen darüber aus!

Frohes schaffen
und keep on burning!

Timo Kaapke

Foto von Timo Kaapke

Brandneues Buch: Machen Sie aus Ihrem Unternehmerfeuer eine echte Unternehmensmarke.

Die Identität unserer mittelständischen Unternehmen kann sich nur aus unserer unternehmerischen Identität entwickeln. Deshalb ist Marke Chefsache, also Unternehmersache – und eine unserer wichtigsten Verantwortungen. Lesen Sie UNTERNEHMERFEUER und lassen Sie sich inspirieren! Sie werden sich und Ihr Unternehmen ganz neu begreifen.

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